Zusammenarbeit und Vernetzung in der Niedersächsischen Bildungscloud
von Seda Uslu (NLQ), Christian Burrichter (NLQ) und Sabine Radtke (MK)
Kollaboration ist ein zentrales Merkmal der Niedersächsischen Bildungscloud (NBC).
Ergebnisse unterschiedlicher Studien zeigen auf, dass digitale Medien in unterrichtlichen Lehr-Lern-Prozessen von Lehrkräften noch nicht umfassend genutzt werden (z.B. Eickelmann & Drossel, 2020). Für die Implementierung digitaler Medien im Unterricht identifizieren Drossel et al. (2017) die medienbezogene Lehrkräftekooperation als zentrale Gelingensbedingung. Auch unabhängig von der Digitalisierung in schulischen Lehr-Lern-Prozessen stellt die Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften ein wesentliches Merkmal schulischer Qualität dar (vgl. Ditton, 2017). Bauer und Kopka definieren die Lehrkräftekooperation im Allgemeinen als ein „zielorientiertes Zusammenwirken von mindestens zwei Lehrpersonen, die versuchen, gemeinsame Arbeitsaufgaben effektiver, effizienter und menschlich befriedigender zu bearbeiten, als dies jeder alleine tun könnte.“ (Drossel & Heldt, 2022, S. 71, zit. nach Bauer & Kopka, 1996, S. 143)
In anglo-amerikanischer Forschungsliteratur wird das zielorientierte Zusammenwirken von Lehrkräften vor allem als teacher collaboration bezeichnet, während in deutschsprachigen Quellen insbesondere der Begriff Kooperation auftaucht und größtenteils synonym zur teacher collaboration verwendet wird (vgl. Endberg et al., 2022, S. vii). Schmalz (2007) definiert beim Begriff der Kollaboration jedoch eindeutig:
„Beim Organisationsprinzip ‚Kollaboration‘ wird die Aufgabe … nicht im Vorhinein arbeitsteilig aufgetrennt, sondern jeder trägt gleichermaßen mit seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten zur Lösung der Gesamtaufgabe bei (…). Die Grundlage der Zusammenarbeit ist in jedem Fall eine heterarchische Struktur, die Akteure sind vollkommen gleichberechtigt.“ (Iwers & Spath, 2024, zit. n. Schmalz, 2007, S. 9f)
So hebt die Kollaboration im Vergleich zur Kooperation die „partizipative Erarbeitung gemeinsamer Zielvorstellungen und deren Umsetzung, wobei in … Phasen der Zusammenarbeit Kollaboration und Kooperation ineinandergreifen können.“ (Iwers & Spath, 2024, S. 62) hervor. Nach Gräsel et al. (2006) finden Kooperationen zwischen Lehrkräften in drei unterschiedlichen Formen statt:
- Austausch, bei dem Informationen und Materialien weitergegeben werden,
- Synchronisation, bei der (Teil-) Aufgaben zunächst getrennt erarbeitet und anschließend zu einem Gesamtergebnis zusammengeführt werden,
- Kokonstruktion, bei der durch eine intensive und strukturierte Zusammenarbeit neues Wissen generiert wird.
Ergebnisse der Studie „Schule digital – der Länderindikator 2016“ zeigen, dass in Deutschland insbesondere einfache und unverbindliche Kooperationsformen praktiziert werden. Diese beinhalten vor allem den Austausch von Materialien bezüglich des Einsatzes digitaler Medien (vgl. Drossel & Kampmeyer, 2020. „Hingegen werden kokonstruktive Kooperationen, wie eine gemeinsame systematische computergestützte Entwicklung von Unterrichtsstunden (dies entspricht am ehesten dem Charakter der Kollaboration, Anm. d. Verf.) … von nur etwa jeder 10. Lehrkraft praktiziert.“ (ebd., S.59) Somit stellt die Kokonstruktion die intensivste, jedoch gleichzeitig auch die am wenigsten praktizierte Form der Lehrkräftekooperation dar (vgl. Wagner, 2024). Möglichkeiten, die die geringen zeitlichen Ressourcen von Lehrkräften betreffen, ergeben sich insbesondere durch digitale kollaborative Formate, welche zeitlich entkoppelt sind und einzelnen Lehrkräften mehr Flexibilität bieten. Dass die Nutzung digitaler Medien die Entwicklung von Kooperation bzw. Kollaboration unterstützten und vorantreiben kann, stellen Chen et al. (2018) in ihren Untersuchungen heraus: computergestütztes kollaboratives Lernen und Arbeiten stärkt die Interaktion und Reflektion innerhalb der Zusammenarbeit und hat signifikante positive Effekte auf den Wissens- und Kompetenzerwerb (vgl. Chen et al., 2018). Die zeitliche Entkopplung und Flexibilität in digitalen Umgebungen ermutigt insbesondere zurückhaltende Lehrkräfte ihre Ideen und Gedanken auszudrücken und steigert das Engagement aller durch beständigen und gleichberechtigten Informationsaustausch (vgl. ebd., S. 32). Chen et al. (ebd., S. 29f) verdeutlichen darüber hinaus, dass digitalgestütztes kollaboratives Arbeiten und Lernen deutlich positiver wahrgenommen wird und einen signifikant höheren Wissens- und Kompetenzzuwachs bewirkt als es in digitalgestützter Einzelarbeit möglich wäre.
Räume in der NBC ermöglichen schulinterne Kollaboration (s. SVBl 09/25) und schulübergreifende Zusammenarbeit. So können Lehrkräfte verschiedener Schulen z. B. gemeinsam Unterricht oder Projekte planen oder Inhalte in gemeinsamen Arbeitstreffen entstehen. Lernende verschiedener Schulen können in schulübergreifenden Räumen zusammenarbeiten und so z.B. über die NBC vom Kursangebot anderer Schulen profitieren oder in schulübergreifenden Projekten landesweit mitwirken. So lassen sich mit der NBC sowohl kollaboratives Arbeiten als auch alle drei Formen der Kooperationen (Austausch, Synchronisation und Kokonstruktion) zielführend realisieren (s. Abb. 2).

Mit der NBC können Nutzende institutionsübergreifend zusammenarbeiten und Netzwerke bilden. Was früher die Teams waren, wird nun in den Räumen abgebildet, um die Bedienung zu vereinfachen und um die erweiterten Funktionen in den Räumen auch für schulübergreifende Zusammenarbeit nutzen zu können. Kooperationsmöglichkeiten sind vielfältig: von Schulen mit ähnlichen Profilen über multiprofessionelle Teams, im Ganztag oder bei gemeinsamen Projekten, im Rahmen von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) bis hin zur Berufsorientierung und außerschulische Lernorte. Außerdem kann die NBC auch von Institutionen aus dem Geschäftsbereich des Kultusministeriums genutzt werden und erleichtert so die Vernetzung mit Schulleitungen, Fachberatungen etc.
Für das kooperative bzw. kollaborative Arbeiten unter Lehrkräften lassen sich insgesamt zahlreiche positive Effekte u. A. für die schulische Arbeit festhalten: die Steigerung der Arbeitszufriedenheit durch den Austausch von Informationen und Materialien einerseits, sowie die Reduktion von Stress und Belastung durch gemeinsame Verantwortung für Arbeitsprozesse oder sozial-emotionale Support von Kolleginnen und Kollegen andererseits (z. B. OECD, 2014; Fussangel & Gräsel, 2012). Richter et al. (2022) betonen, dass Kooperationen sich genau dann entfalten, wenn sie in Kleingruppen stattfinden, wenn die gemeinsame Arbeit sowie Kolleginnen und Kollegen als effizient, erfolgreich und zielorientiert wahrgenommen werden (ebd., S. 799). Digitale Möglichkeiten des Miteinander-Arbeitens helfen den Lehrkräften darüber hinaus sich gegenseitig zu motivieren, zu unterstützen und ein ausführliches Feedback zu ihrer Arbeit zu erhalten (ebd., S. 800).
In der NBC gelingt digitale Zusammenarbeit.
Mitglieder in der NBC
Für die Räume wurde die Einladung modernisiert: Ein Einladungslink für einen Raum gestattet den Zugang und, falls gewünscht, sogar mit einem Warteraum. Für unterschiedliche Zwecke können auch mehrere Einladungslinks gleichzeitig aktiv sein, um z.B. für Personen aus der eigenen Bildungseinrichtung den Zutritt zu jeder Zeit zu ermöglichen und für Personen anderer Schulen nur nach Bestätigung zu gestatten. Der Link oder ein QR-Code kann auch an anderen Stellen veröffentlicht werden. Zu nutzen ist er ausschließlich mit einem registrierten Benutzerkonto. Damit können einfach entsprechende Räume für die Zusammenarbeit geöffnet werden.
Mit der Neuordnung der Mitgliederverwaltung für die Räume wurden auch die Berechtigungen überarbeitet. Mehrere Mitglieder, auch Lernende, können nun von der Standardberechtigung "Lesen" hochgestuft werden, um eine aktivere Rolle im Lernprozess oder in der Zusammenarbeit einzunehmen. Gleichzeitig ist es immer eine Lehrkraft, die diese Änderungen initiieren muss, um eine Aufsicht zu gewährleisten.

Arbeitsteiliges Arbeiten in der NBC
Man kann einen Raum gemeinsam gestalten, indem Bereiche arbeitsteilig aufgebaut werden. Dies kann während einer Sitzung gleichzeitig passieren oder zeitversetzt. Synchron sind derzeit noch Absprachen in der Gruppe erforderlich in Bezug auf das kleinste Einzel-Element (Karte) im Bereich, denn jede Karte kann nur von einer Person gleichzeitig bearbeitet werden.
In einem Bereich mit Neuigkeiten lassen sich einzelne Karten innerhalb des Raums direkt verlinken. Auf dieser Karte können alle relevanten Änderungen zusammengeführt werden, sodass ein Blick ausreicht, um neue Informationen direkt zu erfassen.
Bei einer Zusammenarbeit in der Distanz können in Videokonferenzen „Geteilte Notizen“ mit dem integrierten Etherpad gemeinsam erstellt und als Text oder formatiert in eine Datei exportiert werden. Diese lässt sich einfach auf einer Karte ablegen und steht damit den Mitgliedern im Raum zur Verfügung. Ebenso können weitere Materialien in einem Dateiordner zusammengefasst gespeichert werden.
Externe Personen
Multiprofessionelle Teams werden durch Außenstehende unterstützt. Üblicherweise müssen Schulfremde einen Zugang zu schulischen Systemen erhalten, um mit anderen zusammenzuarbeiten. Damit werden oft Informationen offengelegt, die für ihre Tätigkeit nicht erforderlich sind. Geplant ist, dass externe Personen durch den Zugang zu einzelnen Räumen ausschließlich Zugriff auf die Daten erhalten, die für ihre Aufgaben notwendig sind. Das bietet Optionen für außerschulische Lernorte, berufsorientierende Maßnahmen oder Elternarbeit.


Quellenangaben und der wissenschaftliche Artikel von Seda Uslu, NLQ
Praxisbeispiel: Kollaborative Netzwerke der Schulsozialarbeit
Die NBC wird als Plattform für die digitale landesweite Zusammenarbeit in der Schulsozialarbeit genutzt. Sie ermöglicht die unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Schulformen und mit externen Partnern. Netzwerktreffen werden via Videokonferenz organisiert und die Bereiche in den Räumen können als Themenspeicher gemeinsam aufgebaut werden. Auf diese Weise wird ein schneller Zugriff auf Inhalte unabhängig von Ort und Zeit ermöglicht.
„Schön, dass die Bildungscloud nicht nur schul‑, sondern sogar netzwerkübergreifend funktioniert!“
- Christoph Heming, Netzwerk Schulsozialarbeit Emsland-Mitte
Praxisbeispiel: Landesweite Vernetzung der Fachberatung
Auch seitens der Fachberatung verschiedener Schulformen wird die NBC genutzt. Hier unterstützt die NBC die digitale Vernetzung, das kollaborative Arbeiten in wechselnden Arbeitsgruppen sowie die zentrale Organisation von Besprechungen und die gemeinsame Ausgestaltung von Arbeitsbereichen.
„Während einer offenen Austauschphase wurde die Problematik der Hilfsmittelregelung bezüglich digitaler Wörterbücher in der Abschlussprüfung diskutiert. Eine Kollegin verfügte über die entsprechenden Materialien, postete den Link direkt in der Videokonferenz und die relevanten Informationen konnten unmittelbar in einen Ordner in die Cloud geladen werden. Damit wurden die Inhalte für alle Fachbereichsleitungen gesichert – auch für diejenigen, die nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten.“
- Oskar Angelovski, GY Sophienschule
